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Reichstag

Der Reichstag, korrekt eigentlich "Reichstagsgebäude", offiziell "Plenarbereich Reichstagsgebäude", ist seit 1999 wieder Sitz des Deutschen Bundestags und eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in ganz Deutschland. Das traditionsreiche Gebäude war und ist Schauplatz deutscher Geschichte.

Mit der Proklamation des Kaiserreichs am 18. Januar 1871 war Berlin nicht mehr nur Hauptstadt des Norddeutschen Bundes, sondern des gesamten Deutschen Reiches. Der bisher im Preußischen Herrenhaus in der Leipziger Straße 3 tagende Reichstag konnte die wachsende Abgeordnetenzahl nicht aufnehmen. Zunächst zog man deshalb in das Preußische Abgeordnetenhaus in der Leipziger Straße 75, bevor ein Antrag für einen Neubau verabschiedet wurde. Bis zur Fertigstellung wurde die ehemalige Königliche Porzellanmanufaktur in der Leipziger Straße 4 parlamentstauglich gemacht. Die Verantwortlichen rechneten zu diesem Zeitpunkt mit einer Übergangszeit von fünf bis sechs Jahren. Es sollte anders kommen.

Langwierige Grundstückssuche

Schon die Suche nach einem geeigneten Grundstück stellte sich als schwierig heraus. Eine Kommission benannte zunächst die Ostseite des Königsplatzes, des heutigen Platzes der Republik, als Bauort. Sofort wurde mit Eile ein Wettbewerb ausgerufen, den Ludwig Bohnstedt aus Gotha im Juni 1872 für sich entschied. Doch der preußische Graf Athanasius von Raczynski wollte sein Palais an dieser Stelle nicht hergeben. Der alternative Bauplatz an der Westseite des Platzes fand bei den bequemen Abgeordneten keinen Anklang. Sie fürchteten unter anderem den langen Fußweg von ihren Hotels. Erst mit dem Tod des Grafen im Jahr 1874 deutete sich eine Lösung an. Doch bis der Sohn des Grafen der Enteignung des Grundstücks gegen eine hohe Entschädigung zustimmte, vergingen langwierige Verhandlungen.

Nachdem der Reichstag 1881 beschloss das Grundstück zu kaufen, wurde 1882 ein neuer Architekturwettbewerb ausgeschrieben, an dem einer Forderung des Verbands Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine nur Baumeister "deutscher Zunge" teilnehmen durften. Als Sieger gingen die Entwürfe von Friedrich von Thiersch aus München und von Paul Wallot aus Frankfurt am Main hervor. Beide erhielten den hochdotierten ersten Preis. Da Wallot mehr Stimmen als von Thiersch auf seiner Seite hatte, bekam er den Bauauftrag.

Paul Wallot gewinnt Architekturwettbewerb für den Reichstag

Für Paul Wallot begann eine langatmige, mühevolle und nervenaufreibende Vorarbeit. Mehrfach musste er seine Entwürfe für die äußere und innere Gestaltung des Reichstags überarbeiten und den verschiedenen Instanzen vorlegen. Sein Ursprungsentwurf war kaum wiederzuerkennen. Erst am 9. Juni 1884 erfolgte die lang ersehnte Grundsteinlegung.

Während der Bauarbeiten erwies sich die dominante Kuppel als größtes Problem. Statt sie wie anfänglich vorgesehen zentral über den Plenarsaal zu positionieren, wurde Wallot im änderungsreichen Planungsprozess gezwungen sie zur westlichen Eingangshalle zu verlegen. Nach zähen Verhandlungen konnte er die Verantwortlichen überzeugen, die erzwungene Änderung wieder zurückzunehmen. Da die tragenden Wände um das Plenum aber bereits gemauert wurden und zu schwach für die geplante steinerne Kuppel waren, musste die Kuppelhöhe von 85 auf 75 Meter reduziert werden. Zur weiteren Gewichtsreduktion schlug Bauingenieur Hermann Zimmermann eine relativ leichte aber zugleich technisch anspruchsvolle Konstruktion aus Glas und Stahl vor. Sie galt damals als Sinnbild deutscher Ingenieurskunst.

Wie damals üblich erbaute Wallot den Regierungsbau im Stil des Historismus. Für die Außenform wurden hauptsächlich Formen der italienischen Hochrenaissance verwendet, die er mit einigen Elementen der deutschen Renaissance und mit ein wenig Neobarock verband. Sicherlich auch aufgrund der hochmodernen Kuppel konnten sich viele Zeitgenossen nicht mit dem Neubau anfreunden und bezeichneten ihn oftmals als wenig überzeugendes Durcheinander.

Auch Kaiser Wilhelm II. zeigte seit 1892 deutlich seine zunehmende Abneigung gegenüber Wallot. Er bezeichnete das Gebäude unter anderem als "Gipfel der Geschmacklosigkeit" und als "völlig verunglückte Schöpfung". Bezeichnend auch seine inoffizielle Bezeichnung "Reichsaffenhaus", die seine Verachtung dem ungeliebten Parlament gegenüber entblößte.

Der letzte Stein wurde am 5. Dezember 1894 und somit 17 Jahre später als geplant gelegt. Kaiser Wilhelm II. ließ öffentlich nur anerkennende Worte für das 24 Millionen Mark teure Gebäude hören. Die Kosten wurden aus den Reparationen beglichen, die Frankreich nach dem Deutsch-Französischen Krieg zu zahlen hatte.

Luxus für die Abgeordneten, aber kaum Arbeitsplatz

Der Prachtbau war für seine Aufgaben gut gerüstet und technisch auf der Höhe der Zeit. Ein eigenes Kraftwerk produzierte den Strom, mit dem unter anderem die elektronischen Ventilatoren angetrieben wurden. Eine zentrale Heizungssteuerung mit Temperaturfühlern gehörte ebenso zur Erstausstattung des Reichstags wie Telefone und Toiletten mit Wasserspülung.

Neben den Sitzungssälen für Bundesrat und Reichstag waren ein Archiv, ein Bibliothek für bis zu 320.000 Bände, ein Erfrischungsraum, Garderoben, ein Lesesaal, diverse Sprechzimmer sowie Umkleide- und Waschräume vorhanden. So wie der große Sitzungssaal waren die meisten Räume mit verschiedenen Hölzern ausgekleidet, auch weil Holz günstiger war als Stein.

Alleine am Arbeitsplatz für die Abgeordneten fehlte es in dem 138 Meter langen und 97 Meter breiten Bau. Im Vergleich zu anderen europäischen Parlamentsbauten war der Reichstag mit diesen Ausmaßen recht klein bemessen. Immer wieder vorgenommene Umbauten konnten das Problem nicht lösen, auch weil durch das Verhältniswahlrecht in der Weimarer Republik die Zahl der Abgeordneten sprunghaft anstieg. So wurde ein Erweiterungsbau nördlich des Reichtags geplant, der jedoch nie errichtet wurde.

Die künstlerische Ausgestaltung des Reichstags war mit der Einweihung 1894 noch nicht abgeschlossen. Erst zu Weihnachten 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde die heute so bekannte Inschrift "DEM DEUTSCHEN VOLKE" am schon von Wallot vorgesehenen Platz angebracht. Die Botschaft des von Peter Behrens gestalteten Schriftzugs war dem Kaiser schlicht zu demokratisch.

Bei der künstlerischen Gestaltung des monumentalen und respekteinflößenden Bauwerks stand die 1871 erzielte Einheit des Reiches im Vordergrund. So symbolisieren das Reichswappen im Giebel über dem Haupteingang und die Kaiserkrone auf der Kuppelspitze das erreicht Ziel ebenso wie die Germaniagruppe von Rheinhold Begas über der Spitze des Hauptportals. An der Ausgestaltung waren Künstler aus allen Landesteilen beteiligt.

Reichstagsbrand: Wendepunkt für Bauwerk und Politik

Mit dem Reichstag sind bedeutende Ereignisse und Wendepunkte der deutschen Geschichte verbunden. Vom zweiten der Westbalkone rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 die Weimarer Republik aus. In der Nacht zum 28. Februar 1933 geriet das Bauwerk in Brand. Adolf Hitler nutzte den vermeintlich von den Kommunisten verübten Anschlag und setzte sein Ermächtigungsgesetz durch, das ihm den Weg zur Alleinherrschaft ebnete.

Während die Kuppel nach dem Reichstagsbrand notdürftig instandgesetzt wurde, wurde der zerstörte Plenarsaal nicht wieder aufgebaut. Hier fanden fortan tendenziöse Ausstellungen statt, die zur Propaganda der Nationalsozialisten gehörten. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fenster zugemauert. AEG produzierte hier Funkröhren, ein Lazarett wurde eingerichtet und die gynäkologische Station der Charité fand im Reichstag ein neues Zuhause. So können einige hundert Berliner bestätigen, dass sie im Reichstag geboren wurden.

Am 30. April 1945 hissten sowjetische Soldaten eine rote Fahne auf dem Reichstag, der so zum Symbol des gescheiterten Dritten Reichs wurde, ohne zu dieser Zeit selbst eine große Rolle zu spielen. Nach Kriegsende stand das zuletzt heftig umkämpfte Gebäude als Teilruine inmitten von Kriegstrümmern. Zur Zeit der Teilung lag der Reichstag an der Grenze zwischen Ost und West und wurde so zum Symbol des gespalteten Deutschlands.

Wiederaufbau des Reichstags

1955 wurde die völlige Wiederherstellung des Reichstags beschlossen. Architekt Peter Baumgarten war nach einem gewonnenen Wettbewerb für die Planung und Leitung des Wiederaufbaus zuständig. Bis 1973 wurde ein Plenarsaal für die Arbeitstagungen der Ausschüsse und Fraktionen des Deutschen Bundestags errichtet. Der Saal war doppelt so groß wie früher und hätte alle Abgeordneten eines wiedervereinigten Deutschlands problemlos aufnehmen können.

Weiterhin entstand durch neue Zwischengeschosse mehr Nutzfläche, die zum Beispiel für 30 Sitzungssäle und rund 200 Büros genutzt wurde. Baumann brachte mit der Moderne der 1960er-Jahre eine nüchterne Sachlichkeit in den als schwülstig und überladen wirkenden Bau. Mit der zeitgenmäßen Ästhetik setzte sich die junge Neudemokratie auch optisch erkennbar von der schweren Vergangenheit ab.

Während der deutschen Teilung befand sich im Reichstag ein Museum über den Bundestag und sein Gebäude. Ausländische Staatsgäste nutzten die Außenterrasse um einen Blick über die Berliner Mauer zu werfen. Mehrere Millionen Interessenten besuchten die ab 1971 im Reichstag gezeigte Ausstellung "Fragen an die Deutsche Geschichte".

Nach der Wiedervereinigung, deren Feier am 3. Oktober 1990 vor dem Reichstagsgebäude stattfand, beschloss der gesamtdeutsche Bundestag den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin und damit auch die politische Wiederbelebung des Reichstags als Standort des Bundestags.

Nachdem Christo und Jeanne-Claude mit ihrer spektakulären Verhüllungsaktion im Sommer 1995 die geschichtliche Bedeutung des Reichstags in das Bewusstsein der Menschen rückten, begann gleich im Anschluss der Umbau des Bauwerks. Zuvor hatte sich Norman Foster in mehreren Wettbewerbsrunden durchgesetzt, obwohl er zunächst keinen Kuppelbau befürwortete. Auf Druck der Entscheidungsträger reichte er schließlich dennoch einen Kuppelentwurf ein, der letztlich aller Zustimmung fand.

Unmittelbar nach der aufsehenerregenden Kunstaktion wurde mit den Umbauarbeiten begonnen. Im Zentrum des Reichstags entstand ein Neubau im Altbau. Im Neubau kamen zeitgemäße Materialien wie Glas, Sichtbeton und Stahl zum Einsatz. Im Altbau wurde vorwiegend Kalk- und Sandstein in hellen, warmen Farbtönen verwendet. Das gesamte Haus erhielt ein neu entwickeltes Farbkonzept, das zur Übersichtlichkeit im Gebäude beitragen soll. Das erneut innovative Energiekonzept des Reichstags hat neue ökologische Maßstäbe gesetzt.

Norman Fosters Reichstagskuppel als Besuchermagnet

Die sichtbarste Neuerung für Außenstehende ist die den Reichstag dominierende Kuppel mit 38 Meter Durchmesser. Die 23,5 Meter hohe und 1.200 Tonnen schwere Reichstagskuppel aus Glas und Stahl wird auf der Innenseite von zwei um 180 Grad versetzte spiralförmige Rampen umwunden, die zur insgesamt 40 Meter hohen Aussichtsplattform bzw. zurück zur Dachterrasse führen. Täglich genießen tausende Menschen den sich von der geräumigen Terrasse und der gläsernen Kuppel bietenden Blick über Berlin. Direkt unterhalb der Halbkugel tagen die Abgeordneten im Plenarsaal. Sie sind nicht sichtbar von den Besuchern getrennt, die ihnen quasi auf's Dach steigen - ein Plädoyer für eine transparente Demokratie.

Nicht nur die Dachterrasse, die auch ein Restaurant beheimatet, und die Kuppel können von den Besuchern kostenlos betreten werden, auch Führungen und Vorträge innerhalb des bedeutsamen Gebäudes sind möglich. Darüber hinaus können die zahlreichen Kunstwerke besichtigt und Plenarsitzungen besucht werden.

Während für die Unternehmungen im Reichstagsgebäude seit jeher eine frühzeitige Anmeldung beim Besucherdienst des Deutschen Bundestages notwendig war, konnte die Kuppel auf dem Dach des Gebäudes bis Ende 2010 ohne Anmeldung besucht werden. Seit es jedoch Hinweise auf ein mutmaßliches Anschlagsvorhaben gab, müssen sich auch Besucher der Dachterrasse samt Kuppel vorher anmelden. Zwar entfällt dadurch das langwierige Warten in der Schlange vor dem Reichstag, aber gleichsam auch die Möglichkeit spontaner Besuche. Immerhin bietet eine neu geschaffene Außenstelle des Besucherdienstes des Deutschen Bundestags nun die Möglichkeit, sich auch vor Ort noch für eine Besichtigung anzumelden.

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