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Krakau im Portrait

Polens heimliche Hauptstadt

Während die Polen ihre Hauptstadt Warschau achten, lieben sie Krakau. Die zweitgrößte Stadt des Landes gilt als schönste der Republik und als heimliche Hauptstadt. Dabei hat Krakau, das bis zum 17. Jahrhundert tatsächlich die Hauptstadt Polens war, politisch heute nur noch regionale Bedeutung. Dass die Metropole einen Platz ganz weit oben in den Herzen der polnischen Bevölkerung hat, liegt also weder an ihrer Macht, noch an ihrer Größe. Mit rund 760.000 Einwohnern geht es hier an der Weichsel nämlich verhältnismäßig beschaulich und vertraut zu. Gesellschaftlich, kulturell und wissenschaftlich hingegen ist die alte Königsstadt bis heute das Zentrum Polens.

Wie durch ein Wunder wurde Krakau vom Zweiten Weltkrieg fast gänzlich verschont, zumindest was die Bausubstanz angeht. Nur deshalb kann das historische Stadtbild heute den Charme versprühen, der jedes Jahr über zehn Millionen Touristen in seinen Bann zieht. Bauten der Gotik, der Renaissance, des Barocks und späterer Epochen prägen den zum Teil mittelalterlichen Charakter der meistbesuchten Stadt Polens. Kein Wunder also, dass die UNESCO die Altstadt von Krakau zusammen mit dem Wawel, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige, bereits 1978 zum Weltkulturerbe erklärt hat.

"Florenz des Nordens"

Der Bau des Wawels geht der Legende nach auf König Krak zurück, der durch eine List den in einer Höhle unter dem Wawelhügel lebenden Drachen besiegt haben soll. Der Legendenheld gilt als Begründer und Namensgeber von Kraków. Diese Geschichte ist nur eine von unzähligen Mythen und Sagen, die einem in Krakau auf Schritt und Tritt begegnen. Man könnte mit ihnen beinahe die gesamte Stadtgeschichte erzählen.

Das Herz Krakaus schlägt auf dem Hauptmarkt, dem unbestrittenen Mittelpunkt der Stadt. Er gehört zu den schönsten Plätzen der Welt und ist Heimat der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Darunter die Krakauer Tuchhallen und die Marienkirche mit dem holzgeschnitzten Hochaltar des Nürnbergers Veit Stoß. Der größte mittelalterliche Marktplatz Europas ist sowohl Bühne als auch Wohnzimmer. So groß und zentral, dass er den Weg beinahe eines jeden Krakauers mehrmals täglich kreuzt.

Die prächtigen Gebäude rund um den Hauptmarkt, jedes einzelne eine Schmuckstück, beheimaten Bars, Cafés und Restaurants. Das klirrende Geschirr, die von der untergehenden Sonne angestrahlten Fassaden sowie Klangfetzen aus Stimmengewirr und Straßenmusik lassen südländisches Flair aufkommen. Nicht umsonst wird Krakau auch als "Florenz des Nordens" und "Polnisches Rom" bezeichnet.

Fremdbestimmt durch die Geschichte

Wenn die Abenddämmerung einsetzt, dann verlagert sich das Geschehen von der Oberfläche der Altstadt in ihren Untergrund. Im berühmt-berüchtigten Labyrinth aus mehrgeschossigen Stollen amüsiert sich Krakau in Clubs, Kabaretttheatern und Kellerkneipen. Auch im charmanten Stadtteil Kazimierz, der früher von vielen Juden bewohnt wurde und deshalb auch heute noch als jüdisches Viertel gilt, tobt das Leben. Hier zeigt sich die junge und lebendige Seite Krakaus.

Die untrennbar mit dem Holocaust verbundene Geschichte der Stadt wird vor allen in Podgórze deutlich. Auf der anderen Seite der Weichsel lag das Krakauer Ghetto, dessen Geschichte Steven Spielberg mit seinem Film "Schindlers Liste" in die Köpfe ganzer Generationen gebrannt hat. Die ehemalige Fabrik von Oskar Schindler, heute ein Museum, liegt nur ein paar Schritte entfernt. Wenn man am Platz der Helden des Ghettos vereinzelt noch heute Einschusslöcher findet, wird einem wieder bewusst, dass das schrecklichste Kapitel der Menschheitsgeschichte gerade mal ein paar Jahre zurückliegt.

Einen Kontrast zu Krakaus Bilderbucharchitektur bildet der Arbeiterstadtteil Nowa Huta ganz im Osten. Wer hier lebt, arbeitet früher für das riesige Eisenhüttenkombinat. Heute ist die Arbeitslosenquote in der einstigen Vorzeigesiedlung des Sozialismus groß. Die von Armut betroffenen Bewohner sind in den unverändert gebliebenen Milchbars zu finden. Diese sind bekannte Institution Polens und bieten polnische Küche zu niedrigen Preisen. Wer jung ist, verlässt das Viertel, der bis heute isoliert vom Rest der Stadt scheint.

Jung, liberal, weltoffen

Viele zehntausend Studenten machen Krakau dennoch zu einer jungen Metropole. Sie beweisen, dass die Hauptstadt der Woiwodschaft Kleinpolen das wichtigste Bildungszentrum des Landes ist. Viele junge Polen, bekannt für ihren Ehrgeiz und Fleiß, studieren wie vor ihnen bereites der Astronom Nikolaus Kopernikus und Papst Johannes Paul II. an der altehrwürdigen Jagiellonen-Universität. Die 1364 von König Kasimir dem Großen gegründete Hochschule ist nicht nur die älteste Universität Polens, sondern auch die zweitälteste Universität Mitteleuropas. Den zahlreichen Studenten, von denen nicht wenige aus dem Ausland stammen, ist es zu verdanken, dass das überwiegend konservativ geprägte Polen eine liberale und weltoffene Großstadt ihr eigenen nennen darf.

Trotz des Lerneifers, der in der Universitätsstadt an den Tag gelegt wird, gelten die Bewohner Krakaus als genussvoll und gesellig. Sie leben ihren Traum statt der Karriere und dem schnellen Geld hinterherzulaufen. Und so ist es kein Zufall, dass Polens beste Literaten und Musiker, Film- und Theaterschaffende aus Kraków stammen. Hier wird weniger Betriebswirtschaft als vielmehr Kunstgeschichte, Literatur und Philosophie studiert.

Solange Krakau Dreh- und Angelpunkt des Landes war, galt Polen als Großmacht. Obwohl sich die Republik von einstigen Gegnern mitunter noch heute politisch bedroht fühlt, scheinen die Krakauer mit ihrer neuen Rolle mehr als glücklich zu sein. Sie überlassen das Regieren und Geldverdienen den anderen und genießen ihr friedliches Leben in einer überschaubaren, verträumten und vielleicht noch immer unterschätzen Metropole. Dabei ist die Schatzkammer Polens gerade dabei vom Geheimtipp zum Massenziel zu werden. Beeilen Sie sich, bevor sich die ganze Welt in diese Perle von Stadt verliebt!