„Suspended Coffee“

Im Café nicht nur an sich selbst denken

publiziert am 25.06.2014 in Gastronomie & Hotellerie | kein Kommentar

Wenn im Café um die Ecke jemand „zwei Cappuccino und zwei Aufgeschobene“ bestellt, dann handelt es sich beim Letztgenannten nicht etwa um eine neue, total angesagte Kaffeekreation, sondern um eine Spende für Bedürftige. Wer es sich nämlich erlauben kann, einfach so im Café ein Heißgetränk zu bestellen, der gehört zu dem Teil der Bevölkerung, dem es zumindest finanziell einigermaßen gut geht. Auch wenn sich viele der Cafégäste dessen nicht wirklich bewusst sind.

Mitbürgern, die sich dieses simple Vergnügen aufgrund von Geldmangel nicht erlauben können, will die Bewegung „Suspended Coffee“ helfen. Wer möchte, kann in teilnehmenden Lokalitäten neben seinem eigenen Kaffee einen oder mehrere aufschieben lassen. Die „Geschobenen“ bezahlt der Kunde zwar, sie werden ihm aber nicht serviert. Stattdessen erhält sie ein Bedürftiger, wenn er danach fragt.

Scharm, Scheu und Stolz sind groß

Die Scharm steht den meisten Menschen, die nach einem aufgeschobenen Kaffee fragen, tief ins Gesicht geschrieben. Jedes Café, das sich an der sozialen Aktion beteiligt, weiß, dass es gerade zu Beginn schwer ist die gespendeten Kaffees unters Volk zu bringen. Es dauert einige Zeit, bis Bedürfte ihre Scheu und ihren Stolz überwinden, bevor sie verschämt nach der Gabe frage. In Großstädten, wo die Anonymität größer ist, fällt es vielen leichter, auf dem Land, wo jeder jeden kennt, dafür umso schwerer.

Um es den ehrlichen Abnehmern der „Suspended Coffees“ nicht noch schwerer zu machen, verzichten glücklicherweise die meisten Gastronomen auf unangenehme Nachfragen. Obwohl sich so auch Personen einen Kaffee erschleichen können, die eigentlich in der Lage wären ihn selber zu bezahlen, klagen kaum Cafébetreiber über schlechte Erfahrungen.

Tradition aus Neapel

Seit mehr als 100 Jahren ist der „Caffè sospeso“ bereits in Neapel und Umgebung Tradition. Sie lebt bis heute fort, wenngleich sie auch nur noch zur Weihnachtszeit richtig aufblüht. Grund für ihre Verbreitung war die Schuldenkriese, die ab 2007 besonders Europas Südstaaten traf. In dieser Zeit gingen auch immer mehr Lokale dazu über, nicht nur Getränke, sondern auch Sandwiches oder ganze Tellergerichte aufschieben zu lassen.

Hunderte Cafés haben sich bereits in Deutschland der Bewegung angeschlossen, auch nach Amerika und Asien hat sie es schon geschafft. Dass sich immer mehr Gastronomen dafür begeistern können, liegt sicherlich auch daran, dass ihnen dadurch keinerlei Nachteile entstehen. Ganz im Gegenteil.

Gewinnsituation für alle Beteiligten

Den meisten Cafébesuchern tun zwei Euro für ein weiteres Getränk nicht weh. Obdachlosen, verarmten Rentnern, mittellosen Studenten oder vielleicht auch einfach nur dem Nachbarn, der sein Portmonee vergessen hat, hilft diese nette Geste aber weiter. Der Spender erfreut sich an dem guten Gefühl seiner edlen Wohltat und der Cafébesitzer an einem Umsatzplus.

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