Leeres London

Olympia und keiner geht hin

publiziert am 01.08.2012 in London | 1 Kommentar

Stellen Sie sich vor es ist Olympia und keiner geht hin. Zugegeben, ganz so dramatisch ist es nicht, doch die britische Hauptstadt London ist derzeit so leer wie selten. Dabei sollten gerade jetzt unzählige Touristen die Metropole bevölkern. Stattdessen tummeln sich rund 30 Prozent weniger Besucher in London als zu dieser Jahreszeit üblich. Und das alles trotz oder gerade wegen der Olympischen Spiele.

Was wurde nicht alles berichtet im Vorfeld des internationalen Großereignisses. Die Hotelzimmer in London seien knapp, obwohl die Preise verdoppelt oder sogar verdreifacht wurden. Ein Verkehrschaos drohe. Taxifahrer streiken, weil sie die eigens für Olympia geschaffene Fahrspur nicht nutzen dürfen. Auch am größten Londoner Flughafen drohten Streiks. Ob die älteste U-Bahn der Welt den Besucheransturm überstehen wird ist fraglich. Und schließlich stehe sogar die Sicherheit auf der Kippe, weil der private Sicherheitsdienst nicht genügend Sicherheitskräfte akquirieren konnte. Die Armee muss aushelfen und dominiert nun das Stadtbild.

Es sind wahrscheinlich diese Negativschlagzeilen, die schließlich viele Besucher abschreckten. Was soll man schon erwarten, wenn sogar die Londoner selbst sich bis kurz vor der Eröffnung eher genervt und skeptisch zeigen. Dabei kann man ihnen gar keinen Vorwurf machen. Die Einschränkungen für jeden Einzelnen sind groß, allein wegen des hohen Sicherheitsstandards. Alles verursacht hohe Kosten und letztlich können sie noch nicht mal dabei sein, weil die wenigen Karten seit langem ausverkauft oder schlicht zu teuer sind. Schaut man sich im Fernsehen die Wettbewerbe an, dann ist der Frust gleich noch größer. Die Athleten duellieren sich vor halbleeren Rängen. Wieder einmal sind es Funktionäre und Sponsoren, die ihre reservierten Plätze nicht einnehmen und einfach verfallen lassen. Die Stimmung ist deshalb sowohl innerhalb als auch außerhalb der Sportstätten ziemlich verhalten.

Ist es die Gier, die London dieser Tage zur Geisterstadt werden lässt? Macht der Kommerz alles kaputt? Fakt ist, dass das Interesse an der Stadt und den sportlichen Wettbewerben ungebrochen ist. Dies zeigen nicht zuletzt die hohen Einschaltquoten rund um den Erdball. Fakt ist aber auch, dass sich die Menschen nicht alles gefallen lassen. Wenn Hoteliers und Veranstalter meinen den Besuchern das Geld aus der Tasche ziehen zu können und wenn Angestellte und Beamte meinen Touristen für ihre Zwecke missbrauchen zu können, dann haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

London verspricht die besten und größten Spiele aller Zeiten. Mit ihrer umjubelten Eröffnungsfeier haben sie gezeigt, dass sie das Zeug zur Verwirklichung dieses Ziels haben. Doch was ist Olympia ohne die Menschen, die die Sportler anfeuern und bejubeln, mit ihnen Triumphe feiern und Niederlagen beweinen. Was ist Olympia in einer Stadt, die wie ausgestorben wirkt. In einer Stadt, in der ununterbrochen gefeiert werden sollte.

Hoffen wir auf schnelle Besserung, also vor allem auf mehr Menschen. Schließlich gibt es noch genügend Betten und Wettbewerbe. Ungenutzte Zuschauerplätze sollen kurzfristig schneller neu vergeben werden und angesichts der selten entspannten Verkehrssituation ist es ein Vergnügen sich in London zu bewegen. Ja und vielleicht kommt ja sogar der ein oder andere Londoner zurück, der vor lauter Furcht pünktlich vor den Spielen Reißaus genommen hat.

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  1. Rückblick: Metropolen des Jahres 2012 | METROPOLEN.DE
    kommentierte am 30. Dezember 2012 um 13:16 Uhr Uhr

    […] und weitere touristische Horrorszenarien sorgten zeitweise dafür, dass während der Olympiade bis zu 30 Prozent weniger Besucher in der Stadt waren als an ereignisarmen Tagen. Wer spontan genug war, konnte London an diesen Tagen fast für […]