„Die Königs vom Kiez“

Königliche Unterhaltung an der Reeperbahn

publiziert am 26.10.2013 in Hamburg, Rezensionen | kein Kommentar

Dass die „Schmidts“ es verstehen ihren Kiez an der Reeperbahn humorvoll in Szene zu setzen, wissen wir spätestens seit dem Kassenschlager „Heiße Ecke*„, der vor wenigen Wochen sein zehnjähriges Jubiläum feierte. Mit „Die Königs vom Kiez*“ haben die Hamburger nun ein weiteres Kiezmusical auf die Bühne des Schmidt Theaters gebracht.

Im Mittelpunkt des Stücks aus den Federn von Mirko Bott, Martin Lingnau und Heiko Wohlgemuth steht die siebenköpfige Familie König, um deren Schicksaal es nicht gut bestellt ist. Vater König (Götz Fuhrmann), der von allen nur Käpt’n genannt wird, hält von seiner Rolle als Familienoberhaupt wenig. Obwohl alleinerziehend reagiert er auf Arbeiten aller Art allergisch. Besorgt ist der Käpt’n lediglich um seinen Alkoholpegel, den er unter Preisgabe ausgeklügelter Stammtischideologie in der Kneipe um die Ecke auf Kurs hält. Während sich ihr auf Betriebstemperatur gesoffener Papa in Kneipenphilosophie übt, kämpfen seine zwei Töchter und Söhne zu Hause ums Überleben.

Allen voran Marie (Nadine Schreier) reist sich die Beine aus um den chaotischen Clan zusammenzuhalten. Eigentlich voll ausgelastet mit der Aufgabe den Kühlschrank zu füllen, gelingt es ihr dennoch nebenher ein Stipendium zu ergattern. Für Privatleben aber bleibt keine Zeit und so hat es ihr Verehrer Alex (Stefan Rüh), ein Polizist der sich als Sozialarbeiter ausgibt, schwer an seine aufopferungsvolle Liebe heranzukommen. Da hilft es auch kaum, dass Alex Marie Arbeit abnimmt und sich zum Beispiel um die bettlägerige Großmutter kümmert.

Als wäre das Leben der Königs nicht schon schwierig genug, flattert plötzlich die Androhung einer Räumungsklage ins Haus. Unbeeindruckt von der liebestollen Nachbarin Berta (Carolin Spieß), die in ihrer Verzweiflung selbst vor dem abgehalfterten Käpt’n keinen Halt macht, setzen die Kinder Himmel und Hölle in Bewegung um die geforderten 7.500 Euro aufzubringen.

Ensemble 'Die Königs vom Kiez'
Ensemble von „Die Königs vom Kiez“
(© Schmidt Theater/Fantitsch)

Obwohl die Zwillingsbrüder Benny und Björn (beide Stefan Stara) nicht verschiedener sein könnten, versuchen sie mit Kreativität bzw. Kriminalität ihren Teil zur Rettung der Wohnung beizutragen. Dabei ist sich der schwule Benny, für seinen Vater das schwarze Schaf in der Familie, weil noch nicht einmal vorbestraft, für keinen Job zu schade. Halb so wild, dass er es dem Priester (Tim Koller) besorgt, aber das HSV-Maskottchen zu verkörpern ist für Käpt’n König als eingefleischten Anhänger von St. Pauli die größte Katastrophe auf Erden. Was sollen schließlich seine Kneipenkumpels von ihm denken? Dann doch lieber die Methode des unbedarften Kleinkriminellen Björn, der seinen grünen Daumen entdeckt und für den goldkettenbehangenen Schrankwanddealer (Tim Koller) Nachschub aufzieht. Bedauerlich nur, dass Björn gleichsam wie Berta, von der wir uns das ausgeleierte Zitat geborgt haben, nicht die hellste Torte auf der Kerze ist und so schließlich die Kiste mit dem Gras mit der mit dem Grünkohl aus der Polizeikantine vertauscht.

Wenn auch nicht gesetzestreuer, so doch zumindest bedeutend klüger stellt sich bei der Geldbeschaffung Rotzgöre Pamela (Lisa Huk) an. Die 15-jährige Mutter, die ihr Kind mangels Kohle mit Küchenrollen statt Windeln ausstattet und in „Frakta“, der überdimensionierten Umhänge- und Tragetasche eines schwedischen Möbelhauses, durch die Gegend trägt, erpresst kurzerhand alle in Frage kommenden Väter ihres Kindes.

So sehr sich die Familienbande auch bemüht, all ihre Anstrengungen sind nur der Tropfen auf den heißen Stein. Kaum ist ein Euro eingenommen, trägt der Käpt’n das sauer verdiente Geld wieder in die Kneipe. Doch als wolle der liebe Gott das – wenn auch zum Teil zweifelhafte – Engagement der Geschwister belohnen, stellt er eine Lottofee (Tim Koller) vor die Tür, die die Botschaft von Omas gewonnener Sofortrente überbringt. Doch weil Oma just in diesem Moment ins Gras beißt, den Löffel abgibt, das Zeitliche segnet geht die Geschichte an dieser Stelle erst richtig los.

Sowohl die Geschichte als auch die Schauspieler von „Die Königs vom Kiez“ sind mit viel Potential gesegnet, das Regisseur Corny Littmann weitestgehend aus dem überwiegend jungen Ensemble rauskitzeln konnte. Wenngleich alle schauspielerischen Leistungen zu würdigen sind, insbesondere die Mehrfachrollen und die des daueralkoholisierten Vaters, erweist sich die angegraute Berta nicht nur als humoristisches Schwergewicht. Jeder Satz eine Pointe, die das Publikum zum Beben bringt. Dass es am Kiez schon mal derber zugeht, stört dabei keinen Zuschauer.

Die Liebeserklärung an St. Pauli hält den einen oder anderen Ohrwurm bereit und deckt die gesamte Bandbreite von gefühlvollen Balladen bis zu fetzigen Temponummern ab. Mit im wahrsten Sinne des Wortes traumhafter Castingeinlage vor Dieter Bohle und Konsorten sowie Gesangs- und Tanzdarbietung im indischen Bollywoodstil weiß die Musicalkomödie unterhaltsam zu überraschen. Schade nur, dass die Musik fortlaufend vom Band kommt und so kaum ihre ganze Größe entfalten kann.

„Die Königs vom Kiez“ ist vom 12. September bis zum 15. November 2014 und wieder vom 26. März bis zum 28. Juni 2015 im Schmidt Theater in Hamburg zu sehen. Eintrittskarten erhalten Sie hier.*

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