Buchrezension

„Über den Dächern von New York“

publiziert am 14.11.2014 in New York, Rezensionen | kein Kommentar

Was für ein Buch! Eine Buchbesprechung mit diesem Satz zu beginnen mag nicht besonders professionell sein, aber umso ehrlicher. Doch Moment, noch wissen Sie ja gar nicht, ob dieser Bildband besonders gut oder besonders schlecht ist. Doch auch damit können wir nicht lange an uns halten: Er ist brillant!

Einblicke in eine verborgene Welt

Dass es sich bei „Über den Dächern von New York*“ um ein wirklich tolles Werk handelt, sieht man ihm von außen nicht an. Das unscheinbare Bild auf dem Schutzumschlag ist kein guter Anhaltspunkt um den Inhalt abzuschätzen. Auch der Titel lässt im ersten Augenblick lediglich vermuten, dass es sich nur um einen weiteren Fotoband handelt, der New York aus der Vogelperspektive zeigt. Der Untertitel („Die verborgenen Oasen der Stadt“) lässt da schon mehr hoffen.

Wer Alex McLeans Bildband aufschlägt, der sieht Dächer. Aufgeräumte und chaotische, einzelne und viele, große und kleine Dächer. Dächer von Bürogebäuden, Industriehallen und von Wohnhäusern. Dächer mit Bäumen, Topfpflanzen oder ganzen Gärten, mit Sitzecken, Liegestühlen und Grillstationen, mit Golfanlagen, Pools und Tennisplätzen. Dächer, die schwarz sind, und andere die weiß gestrichen wurden. Dächer von früher, nur mit Klimageräten und Wasserspeichern, und Dächer von heute, mit Gemüsebeeten und Solaranlagen. Dächer, die alle eine Geschichte erzählen. Dächer, auf denen es so unglaublich viel zu entdecken gibt.

Die 191 Flugbilder sind in sieben Kapiteln gebündelt. Eins zeigt gemeinschaftlich genutzte Hochhausdächer, das andere die von Wahrzeichen. Ein weiteres widmet sich den Dächern, die energetische genutzt werden und wieder ein anderes grünen Oasen. Jedes Kapitel wird mit einem kleinen Text eingeleitet. Informativ aber nicht ausladend, genauso wie die knappen Bilderläuterungen, die man glücklicherweise nur dort findet, wo es auch etwas zu sagen gibt. Dank den kleinen Textschnipseln ist der Bildband sowohl informativ und lehrreich, als auch interessant und unterhaltsam.

Zeugnisse von urbaner Platznot

Was da auf den Dächern von New Yorks Wolkenkratzern entstanden ist, das zeugt von der Platznot der Metropole. Wo es einfach kaum noch freie Flächen gibt und diese zudem noch unverschämt teuer sind, muss man sich etwas einfallen lassen. Penthäuser sind die eine Möglichkeit. Die andere ist, sich ein grünes Refugium inmitten des grauen Großstadtdschungels zu schaffen.

Immer öfter werden die riesigen, bislang häufig unbeachteten Dachflächen erschlossen. Die Zeiten, in denen man maximal einen Tisch und ein paar Stühle aufs Dach stellt, sind lange vorbei. Dächer werden heute oft professionell genutzt. So professionell, dass sie den Hausbewohnern nicht mehr ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Entweder sie werden mit Solaranlagen bewirtschaftet oder gar parzelliert und vermietet. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit, bis erste Hausbesitzer auch diese Ressource zu Geld machen würden.

Aber es gibt sie noch, die Dächer, die den Menschen offen stehen. Während die der Altbauten mühsam verschönert werden mussten, wird bei Neubauten die Dachterrasse mittlerweile gleich mitgeplant. Und die ist in den Nobelvierteln von New York nicht minder luxuriös als die Wohnungen darunter. Bars und Restaurants über den Dächern der Großstadt sind schon lange der letzte Schrei und ein Edelhotel ohne Sonnenterasse ist fast schon nicht mehr vorstellbar.

Bildband mit nicht alltäglichen Perspektiven

Die Dachnutzung ist übrigens kein Phänomen der letzten Jahre, auch davon weiß das Buch zu berichten. Früher wurden mitunter ganze Farmen auf New Yorks Hochhausdächern betrieben. Farmen mit zum Teil hunderten Tieren. Wie die Kuh aufs Dach kommt, fragen Sie sich? Genauso, wie die Menschen auch, nämlich mit dem Aufzug.

Über den Dächern von New York*“ ist sicher kein Bildband für jeden. Aber wer sich für Großstädte, das Leben in ihnen oder sogar ihre Funktionsweise interessiert, der wird diese Buch immer wieder aus dem Regal ziehen. Den anders als bei den Bildern von Sehenswürdigkeiten hat man sich hier nie sattgesehen, zumal es mit jedem Blick etwas Neues zu entdecken gibt.

Dem New-York-Reisenden bleibt die Welt hoch oben auf den Dächern verborgen. Man kann sie von unten nicht sehen und nur selten hat man die Gelegenheit, aus einem Wolkenkratzer auf das Geschehen auf benachbarten Dächern zu blicken. Umso schöner, dass McLeans Bildband die nur allzu menschliche Neugier nach dem Einblick in den Lebensraum fremder Mitmenschen befriedigt. Vor allem, wenn es so ein besonderer Lebensraum ist.

Über den Dächern von New York*
von Alex MacLean

Schirmer/Mosel, München
ISBN: 978-3-8296-0582-3
ca. 240 Seiten
49,80 Euro (versandkostenfrei bestellen*)

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