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Djemaa el-Fna (Jemaa el-Fna)

Der Djemaa el-Fna ist die bedeutendste Attraktion, das historische Zentrum und das größte Schauspiel von Marrakesch. Nein, es ist nicht seine optische Erscheinung, die ihn zum vermutlich aufregendsten und bekanntesten Platz Afrikas macht. Es ist schlicht das Leben, das hier stattfindet. So facettenreich und pulsierend, dass die europäischen Sinne schier überfordert sind, von so vielen Farben, Geräuschen und Gerüchen. Ein Meer der Sinnlichkeit, das jeden nach dem Eintauchen in seinen Bann zieht. Die größte Bühne des Kontinents, die Tag für Tag eine faszinierende und unvergleichliche Atmosphäre versprüht. Geheimnisvoll, aber nicht unnahbar.

Die Sultane zur Zeit der Almohaden ließen hier Missetäter, egal ob Rebellen oder Verbrecher, hinrichten, ihre Köpfe auf Lanzen spießen und den Gaffern zur mahnenden Schau stellen, bis nur noch die kahlen Schädel übrig blieben. Aus dieser Zeit stammt auch der Name der ehemaligen Hinrichtungsstätte, die wahlweise mit "Platz der Gehängten", "Platz der Geköpften" oder "Versammlung der Toten" übersetzt wird. Von der dunklen Vergangenheit ist auf dem heutigen Rummelplatz der weltoffenen Stadt nichts mehr zu spüren.

Orientalischer Abenteuerspielplatz

Ist der Djemaa el-Fna tagsüber verhältnismäßig unscheinbar, verwandelt er sich am späten Nachmittag, wenn er für den Verkehr gesperrt wird, schlagartig in einen orientalischen Abenteuerspielplatz, der der Dramaturgie des organisierten Chaos folgt. Akrobaten und Gaukler ziehen die Maßen genauso an wie Trommler, Wahrsagerinnen und Wunderheiler. Schlangenbeschwörer tun so, als würden sie Kobras mit ihren Flöten zum Tanzen bringen. Zwar haben sie die Tiere eigenhändig in der marokkanischen Wüste gefangen, doch Schlangen reagieren gar nicht auf Musik. Ihr scheinbarer Tanz ist nichts anderes als eine Abwehrhaltung, die immer den Bewegungen des Beschwörers folgt, um im Verteidigungsfall blitzartig zubeißen zu können.

Während sich die vielen Schlangenbeschwörer eher an Touristen richten, sind die Geschichtenerzähler ein authentischer Zeitvertreib der Einheimischen. Noch immer besteht beinahe die Hälfte der Gesellschaft aus Analphabeten, weshalb es in der Stadt auch noch Schreiber gibt, die Testamente und Verträge aufsetzen. Früher gab es für sie kaum eine andere Unterhaltung. Heute haben die Märchenerzähler digitale Konkurrenz und auch deshalb Nachwuchsprobleme. Obwohl sich noch immer Menschenmaßen um die wild gestikulierenden Rhetoriker scharren, gibt es immer weniger von ihnen. Sie sterben im wahrsten Sinne des Wortes aus. Dabei ziehen sie selbst Touristen in ihren Bann, die kein einziges Wort verstehen und dem Charme der vom Leben gezeichneten Männer dennoch verfallen. Der Djemaa el-Fna ist seitjeher das Zentrum der mündlichen Überlieferung alter und neuer Geschichten. Die Marrakchi gelten bis heute als begnadete Geschichtenerzähler.

Die auffällig gekleideten Wasserverkäufer sind heute nur noch Fotomodels und verlangen für ihre Leistung einen kleinen Lohn. Genauso wie die Damen, die vergängliche Henna-Tattoos auf Hände oder Knöchel malen, während nebenan ein dressierter Affe Kunststücke zeigt, der Feuerspucker für zusätzliche Hitze sorgt und Tänzer meterhohe Räder schlagen. Profane Geschicklichkeitsspiele, bei denen zum Beispiel Cola-Flaschen geangelt werden müssen, verkürzen die Zeit, bis die ersten Kessel heiß sind. Es scheint so, als würde sich nun hier die ganze Menschheit zu einem riesigen Improvisationszirkus versammeln.

Filmen und fotografieren auf dem Djemaa el-Fna

Der facettenreiche Platz ist mit seiner unerschöpflichen Motivvielfalt ein Paradies für Fotografen und Videofilmer. Doch mit Argusaugen beobachten die Künstler das Geschehen in ihrer Umgebung, immer auf der Suche nach geizigen Urlaubern. Wer die fotogenen Schausteller ablichten möchte, sollte daran denken, dass sie mit ihren Darbietungen Geld verdienen. Ein Foto ist also nie kostenlos zu haben. Die inzwischen zum Teil unverschämten Forderungen muss man dennoch nicht erfüllen. Angemessen ist ein Trinkgeld von fünf Dirham für ein Bild. Heimliche Schnappschüsse können aggressive Reaktionen und unangemessene Forderungen zur Folge haben.

Größtes Freiluftrestaurant der Welt

Noch bevor die Dämmerung einsetzt, ziehen die ersten Rauchschwaden über den sechs Fußballfelder großen Platz. Gab es hier bisher nur Datteln, Nüsse und frisch gepressten Orangensaft, locken nun über 100 Garküchen mit einem schier unerschöpflichen Angebot aller Preisklassen. Die fahrbaren und durchnummerierten Verkaufsstände sind erstaunlich hygienisch und bieten frische wie preiswerte Kost. Während Touristen sich noch einen Überblick verschaffen, steuern die Marrakchi zielsicher ihre Stammbude an. Auf Bänken zwischen den Garküchen werden die kulinarischen Köstlichkeiten frei von Eitelkeiten verputzt, während ein unaufhörlicher Klangteppich den Soundtrack des Platzes gibt.

Je später der Abend, desto unübersichtlicher wird das Menschengewirr auf dem Djemaa el-Fna. Die Herzkammer der Medina ist voller Einheimischer und genau das ist das Schöne an diesem einmaligen Platz. Klar, man hat sich auf die Touristen eingestellt, doch die orientalische Atmosphäre ist authentisch, dank der zelebrierten Lebenslust der Einheimischen. Ab 22 Uhr machen fast ausschließlich sie das Nachtleben am Treffpunkt Nummer eins aus. Der Kulturraum des Djemaa el-Fna wurde im Jahr 2001 als erster Ort in die neu geschaffene UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen und befindet sich seit 2008 auf der Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Am besten überblickt man das bunte Treiben auf dem zerklüfteten Platz, der die Medina in einen nördlichen Teil mit den ausgedehnten Souks und einen südlichen Teil mit vielen weiteren Sehenswürdigkeiten teilt, von einer der Dachterrassen der vielen Cafés am Platz. In einem dieser Cafés explodierte 2011 eine Bombe, die 17 Menschen das Leben kostete. Das sich die zum Tode verurteilten Attentäter ausgerechnet das Herz von Marrakesch ausgesucht haben, ist sicher kein Zufall. Doch von seiner einzigartigen Lebendigkeit, die schon Generationen von Künstlern und Schriftstellern in ihren Bann gezogen hat, konnte sie dem Djemaa el-Fna trotz kurzem Schocks nichts rauben.

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Kontakt

Adresse
Jemaa el-Fna
40000 Marrakech
Marokko

Verkehrsanbindung

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Arset El Bilk

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