Vor dem Aussterben bedrohtes Kultobjekt

Wie die Londoner ihre Telefonzellen retten

publiziert am 04.01.2017 in London | kein Kommentar

Es gibt Metropolen, die erkennt man an ihren extravaganten Bauwerken. Und es gibt London, dessen Alltagsgegenstände Kult sind. Die Black Cabs, die roten Doppeldeckerbusse und natürlich die gleichfarbigen Telefonzellen. Rund 11.000 rote Telefonhäuschen vom Typ K6 stehen noch im Vereinigten Königreich. Das Mobilfunkzeitalter hat sie eigentlich überflüssig gemacht. Doch keiner kann sich die Hauptstadt ohne den Designklassiker vorstellen, weder die Einheimischen noch die Touristen.

Deshalb besteht die Möglichkeit ausgemusterte Telefonzellen gegen den symbolischen Preis von nur einem Pfund pro Stück von British Telecommunications zu erwerben. Einer der dies im großen Stil tut ist Edward Ottewell. Der Unternehmer baut das Innere der Telefonzelle vor Ort nach Wunsch des Kunden um und vermietet diese dann. Zum Beispiel an Omar Khalid, der im Londoner Stadtteil Hampstead in eben jener berühmten Zelle einen Kaffeestand betreibt.

350 Euro Miete für eine Telefonzelle

Der preisgekrönte Coffee-to-go schmeckt unter der Woche vor allem den Einheimischen und am Wochenende den Touristen, die von der Kaffeemaschine in der Telefonzelle begeistert sind und eifrig Fotos schießen. Khalid verdient gut daran, trotz oder gerade wegen der Miete von umgerechnet 350 Euro im Monat, die er für die auf seine Bedürfnisse angepasste Telefonzelle zahlt.

In der Tat sind die meisten der umfunktionierten Telefonzellen Kaffeestände, Kioske und Souvenirläden, so Ottewell. Bleibt ist auch das Modell Hotdog-Stand. Im Trend liegen Reparaturläden für Smartphones und kleine Büroarbeitsplätze. Mindestens tausend Telefonzellen will das Unternehmen von Ottewell restaurieren, vermieten und so zu Geld machen. Aus den restlichen werden mitunter Bibliotheken und Minigärten, oder sie finden den Weg in die Kunst.

2.300 Euro Kaufpreis für eine Telefonzelle

Manche der legendären Telefonzellen wurden auch schon verkauft. Zuletzt konnten abgebaute Zellen 2012 für 2.300 Euro pro Stück erworben werden. Das Interesse an den seltenen Verkaufsaktionen ist groß. Jeder möchte Retter der britischen Telefonzelle werden. Doch so wirklich überleben wird sie erst, wenn sie nicht im Garten wohlhabender London-Fans steht, sondere ihre Existenz auf der Straße gesichert ist. Deshalb sind Ideen wie die von Omar Khalid so wichtig.

Das Modell K6 wurde 1936 zum silbernen Thronjubiläum von König George V., dem Opa von Königin Elizabeth II., eingeführt. Es wiegt 760 Kilogramm und ist 2,4 Meter groß. Das zeitlose Design stammt vom Architekten Giles Gilbert Scott. Als die Produktion seiner Kultzelle, die zum Standard im Königreich wurde, 1968 eingestellt wurde, standen noch 70.000 auf den britischen Straßen.

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