Buchrezension

Das große Los

publiziert am 03.09.2013 in Rezensionen | kein Kommentar

Für Meike Winnemuth ging in Erfüllung, wovon viele träumen: Sie gewann, oder besser erspielte sich, bei „Wer wird Millionär?“ im Oktober 2011 satte 500.000 Euro. Als Günther Jauch sie fragte, was sie mit ihrem Gewinn anstellen würde, antwortete die Hamburger Journalistin beherzt: Zwölf Monate lang wolle sie in zwölf verschiedenen Städten leben.

Schon im Taxi auf dem Weg in das von RTL gebuchte Bahnhofshotel schreibt sie spontan die Namen von zwölf Städten auf einen gelben Klebezettel. Getreu dem Motto „Nicht lang schnacken, Koffer packen!“ will Winnemuth ihre Weltreise gleich im nächsten Jahr beginnen. Und so steht sie nach Silvester in Istanbul am 3. Januar 2012 am Flughafen von Sydney. In den folgenden Monaten wird sie noch Buenos Aires, Mumbai, Shanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und Havanna bereisen, bevor ein Frachtschiff sie gemächlich wieder in den deutschen Alltag schippert.

Meike Winnemuth hatte nie vor in Hotels zu schlafen oder auf den typischen Touristenpfaden zu spazieren. Die reiseerfahrene Kosmopolitin wollte von Anfang an in den gewählten Städten leben, sie aus der Perspektive ihrer Bewohner sehen. So mietete sie sich an jedem Standort eine Wohnung und begann sich nach Ankunft ihre Umgebung zu erlaufen. Sie folgte stets ihrem Instinkt und tat das, worauf sie gerade Lust hatte. In Buenos Aires war das Spanisch lernen, Tango hingegen sagte ihr nicht zu. Auf Hawaii lernte sie Ukulele spiele und das Rote Meer nutze sie um erstmals in ihrem Leben zu tauchen. Alles einmal ausprobieren, dass war und ist ihr Lebensmotto.

Wenngleich sich Meike Winnemuth bewusst eine einjährige Auszeit nahm und ein Jahr lang machte, worauf sie Lust hatte, kann man nicht von Urlaub sprechen. Dank ihres Laptops konnte sie ihrer Arbeit als Journalistin überall auf der Welt nachgehen. So schrieb sie nicht nur weiter für ihre Auftraggeber, sondern rief auch einen Blog ins Leben, auf dem sie beinahe täglich von ihrer Weltreise berichtete.

Für ihr Buch „Das große Los – Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr*“ hat sie sich ein ganz besonderes Konzept ausgedacht. Jeder Stadt ist ein Kapitel gewidmet, in dem sie einer Person aus ihrem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis einen Brief schreibt. Auf diese Weise werden die spannenden Reiseberichte zu höchst persönlichen Offenbarungen. Sie schreibt nämlich nicht nur über Sehenswürdigkeiten, Menschen und Begegnungen, sondern vor allem über sich. Sie gibt Einblick in ihr Gefühlsleben, das von jeder Metropole anders beeinflusst wird. Und obwohl sie in ihrem Werk viel Privates preisgibt, drängt sie sich zu keiner Zeit auf.

Die Autorin besitzt die Gabe mit Leichtigkeit über selbst bedrückende, schwierige oder traurige Gefühlslagen zu schreiben und ihre Leser nicht damit zu belasten, sondern zu bereichern. Was eigentlich nur eine Reise sein sollte, wird zur Expedition zu den Fundamenten ihrer Existenz. Dazu tragen auch Städte wie Mumbai bei, die Winnemuth existenzielle Fragen des Lebens abringen und es ihr so schwer machen sich in ihnen einzuleben. Zu Recht fragt sie, ob man für bestimmte Städte ein Talent haben kann, für andere nicht. Und treffend stellt sie fest, dass man nicht nur an einen anderen Ort, sondern immer auch in einen anderen Gesellschaftsstatus und in eine andere Zeit reist.

Fast überall auf dem Erdball ist Meike Winnemuth gesegnet mit Kontakten, die ihr unter anderem Leser ihres Blogs und des „Süddeutsche Zeitung Magazins“ vermitteln, für die sie in den jeweiligen Städten kleine „Leseraufträge“ erledigt. Obwohl sie es leichter zu haben scheint mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, schon allein weil sie eine Frau ist, macht sie in ihrem Buch auch Mut zum allein Reisen.

In ihren Briefen schaut die Hamburgerin laufend zurück auf bereits bestrittene Reiseetappen und versucht daraus Schlüsse zu ziehen. Mit ihren Feststellungen und Fragen zum Leben und Reisen fordert sie unweigerlich auch den Leser auf sich Gedanken über seine Lebensweise und seine Träume zu machen. Immerhin hat Winnemuth den Beweis angetreten, dass es zum Langzeitreisen weniger Geld als Mut braucht. Obwohl sie auf ihrer Weltreise weder dekadent noch sparsam gelebt hat, hätte sie das Geld von „Wer wird Millionär?“ eigentlich nicht gebraucht.

Meike Winnemuth ist es gelungen mit „Das große Los*“ eines der besten Reisebücher zu schreiben, die gegenwärtig auf dem Markt sind. Völlig zu Recht hält sie sich seit Wochen in den Bestsellerlisten. Immerhin hat sie eins dieser Bücher geschrieben, die nicht nur Fernweh und damit Lust aufs Reisen machen, sondern auch dazu anregen das eigene Leben zu überdenken.

Ihr Begeisterung für Details und das große Ganze, ihr unaufgeregter Schreibstill und nicht zuletzt ihre kindliche Neugier verlangen nach mehr Lektüre. Wieso eigentlich ist sie nicht zwei Jahre gereist? Eine Frage, die sich nach ihrer Rückkehr auch die Autorin selbst stellt. Sie ist zu einer Nomadin geworden, die mit dem Ballast und der Enge der Heimat nur schwer zurechtkommt. Die unbegrenzte Freiheit, die ihr zu Beginn ihrer Reise zu schaffen machte, wurde zum unverzichtbaren Gut ihres Lebens. Und so steht fest, dass Meike Winnemuth weiter reisen wird. Hoffen wir, dass wir auch von ihren zukünftigen Erlebnissen zu lesen bekommen.

Das große Los –
Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr
*
von Meike Winnemuth

Albrecht Knaus Verlag, München
ISBN: 978-3-8135-0504-7
336 Seiten, 19,99 EUR (versandkostenfrei bestellen*)

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