Blindwalk

Mit verbundenen Augen durch Köln

publiziert am 12.11.2013 in Köln | kein Kommentar

Normalerweise will man bei einer Stadtführung ja möglichst viel von der besuchten Destination sehen. Die Teilnehmer der sogenannten Blindwalks hingegen lassen sich auf einen spannenden Sinneswechsel ein. Statt Köln hauptsächlich visuell zu entdecken setzen sie auf Hören, Riechen, Tasten und sogar Schmecken.

Dr. Axel Rudolph ist Erfinder des Kölner Blindwalk. Der Künstler, der zugleich Experte für Geräusche und Raumwahrnehmung ist, veranstaltet bereits seit Ende der 1980er-Jahre Dunkelausstellungen. Im Jahr 2001 eröffnete er in der Domstadt Deutschlands erstes Dunkelrestaurant. Während sowohl Dunkelausstellungen als auch Dunkelrestaurant inszenierte Erlebnisse sind, stellt sich der bereits seit Oktober 2011 angebotene Blindwalk der Realität einer ganz normalen Großstadt.

Wer sich auf das Abenteuer Dunkelheit einlässt, der wird von Dr. Rudolph vor Beginn der Führung mit dem notwendigen Equipment ausgestattet. Neben der vollständig lichtdichten Augenmaske erhält jeder Teilnehmer einen Rucksack. Dieser dient nicht nur dazu, darin seine Brille oder Verpflegung zu verstauen, sondern ist vor allem Lenkungsmittel. Jeder der Führungsteilnehmer hält sich nämlich jeweils an der Rucksackschlaufe seines Vordermanns fest. Am Rucksack des Stadtführers befinden sich gleich zwei Schlaufen, so dass sich hinter ihm zwei Reihen mit maximal vier Personen bilden. Ein Headset stellt die Kommunikation auch bei lauter Umgebungsakustik sicher.

Vom Museum Ludwig geht es am lauten Hauptbahnhof vorbei über die wuselige Domplatte zum Heinzelmännchenbrunnen. Das sonst kaum wahrgenommene Plätschern deutet untrüglich auf das Wasserspiel hin. Eine aus dem benachbarten Brauhaus Früh strömende Kölschwolke stimuliert die Nase. Die Kulisse wird von rauschenden Blättern, Rollkoffern und Wortfetzen in unterschiedlichsten Sprachen gebildet.

Berührungen, Geräusche und Gerüche

Vor dem Römisch-Germanischen Museum ertasten die Teilnehmer verzierte Überreste von Türen, im Anschluss erfühlen sie sich das Kunstwerk „Ma’alot“ auf dem Heinrich-Böll-Platz. Auf der Hohenzollernbrücke ermöglicht die von den Zügen erzeugte Vibration ein ganz neues Körpergefühl. Nach einigen Schritten entlang des Rheins endet die zwei bis zweieinhalbstündige Stadtführung am Bruegelmannhaus, wo mit einem Picknick auch noch der letzte Sinn auf die Probe gestellt wird.

Die Stadtführung mit verbundenen Augen ermöglicht eine ganz andere Wahrnehmung Kölns. Obwohl der Führer auch archäologische, architektonische und künstlerische Fakten vermittelt, sind es vor allem die Berührungen, Geräusche und Gerüche die prägen. In völliger Dunkelheit unternimmt man eine Reise in die Seele Kölns ohne sich von visuellen Eindrücken ablenken zu lassen. Wer zum Beispiel achtet normalerweise schon auf den Bodenbelag und seine Beschaffenheit?

Wer nicht mehr sieht, stellt seine anderen Sinne in den Fokus und nimmt diese deutlich intensiver wahr. Das Ergebnis ist ein unvergleichliches Flair, das vor allem Blinde kennen, den meisten Sehenden aber verborgen bleibt. Damit ist der Blindwalk für die meisten Teilnehmer eine Bereicherung, auch wenn er zunächst Unsicherheit Hervorruf. Doch mit jedem Schritt fällt es einem leichter sich zu entspannen und dem Stadtführer zu vertrauen.

Blindwalks durch Köln werden vom Frühjahr bis zum Herbst an den Wochenenden angeboten. Im Winter können nur geschlossene Gruppen die erlebnisreichen Führungen buchen. Während Regen in der Regel kein Problem darstellt, müssen die Touren bei Glatteis oder Sturm aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Die Teilnahmegebühr beträgt 35,00 Euro pro Person. Auch in anderen Metropolen wie zum Beispiel Paris werden Stadtführungen im Dunkeln angeboten.

Die Kommentare sind geschlossen.